Kein Klimaschutz ohne Menschenrechte!
Die Klimakrise ist auch Folge von Ungleichheit und der Verletzung von Menschenrechten. Die Position der Klimaliste Deutschland ist daher eindeutig: kein wirksamer Klimaschutz ohne globale Gerechtigkeit!
Die Klimabewegung hat das längst verstanden und richtet Handeln und Forderungen entsprechend aus. In der Politik wird dagegen lieber über nationale Themen und grünes Wachstum diskutiert, das gilt auch für die Parteien in der Ampelkoalition. Weiten wir also den Blick und ordnen wir die Dinge neu – mit Hilfe einer ausgewiesenen Expertin.
Mirian Saage-Maaß ist Juristin und arbeitet als Leiterin des Programmbereichs Wirtschaft und Menschenrechte beim European Center for Constitutional and Human Rights (EC-CHR) in Berlin. In der aktuellen Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik hat sie einen Aufsatz veröffentlicht, der deutlich über die hierzulande bevorzugte Beschäftigung mit Ursachen und Folgen der Klimakrise hinausgeht. Thema von Saage-Maaß ist die globale Klimagerechtigkeit. Genau gesagt erläutert sie den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Menschenrechten. Diesen herzustellen, so Saage-Maaß, sei unverzichtbar für eine „wirklich gerechte Transition unserer Gesellschaften und Wirtschaftssysteme in ein klimaneutrales Zeitalter“.
Ein Umdenken ist dringend nötig
Die folgenden Aspekte müssen auch aus unserer Sicht Grundlage jeder erfolgreichen Klimapolitik sein: Es gilt, den Fokus auf die Menschenrechte zu lenken und zugleich die historische Verantwortung für das Entstehen der Klimakrise zu übernehmen.
Dafür ist ein Umdenken dringend nötig. Denn nicht einmal im Paris-Abkommen oder bei der Weltklimakonferenz 2021 in Glasgow wurde die Verpflichtung von Staaten, die Menschenrechte einzuhalten, ausführlich thematisiert. Kein Wunder, denn selbst klassische Menschenrechtsorganisationen und viele Aktivisti, so Saage-Maaß, hätten erst im vergangenen Jahr begonnen, den Zusammenhang zwischen dieser Problematik und der Klimakrise zu sehen.
Historische Ursachen erkennen
Um diesen zu verstehen, sollten wir uns die historischen Ursachen des Klimawandels vor Augen führen, fordert Saage-Maaß. Dieser „resultiert aus der Industrialisierung und dem mit ihr sprunghaft angestiegenen Verbrauch fossiler Energie.“ Die Kolonialisierung diente den europäischen Ländern und den USA stets dazu, neue Rohstoffquellen zu erschließen. Verbrechen gegen die indigene Bevölkerung wurden dabei ebenso in Kauf genommen wie die Zerstörung von Lebensräumen.
Daran hat sich bis heute wenig geändert, denn der globale Süden wird immer noch als Rohstoffquelle betrachtet, die ausgebeutet werden darf. Saage-Maaß zeigt am Beispiel des Niger-Delta, welch katastrophale Auswirkungen etwa der westliche Ölrausch hatte und nach wie vor hat. Das Recht auf sauberes Trinkwasser, das Recht auf Nahrung – grundlegende Menschrechte werden beim Abbau von Rohstoffen verletzt. Wer sich wehrt, wird allzuoft ermordet oder anderweitig zum Schweigen gebracht.
Luxusyacht und Holzplanken
Die Schlussfolgerung, die wir als Partei mit Saage-Maaß teilen, ist offensichtlich: „Es gilt, die Umwelt- und Klimakrise auch als ein Symptom sozialer und wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzungen zu verstehen.“
Im Umkehrschluss ist der Klimaschutz unabdingbar, um soziale Ungleichheit zu beseitigen. Gerade diese simple Tatsache wird aus Sicht von Saage-Maaß nicht ausreichend berücksichtigt: „Wir sitzen eben nicht alle in einem Boot. Manche sitzen auf einer Luxusyacht, während andere sich auf Holzplanken über Wasser halten.“
Dieses Bild beschönigt die Lage eher noch. Denn bereits jetzt spüren vor allem die ärmsten Länder und Bevölkerungsgruppen die Folgen der Klimakrise. Und das, obwohl sie historisch am wenigsten zur Erderhitzung beigetragen haben. Die Aussichten sind düster, denn wenn wir nicht gegensteuern, droht eine globale Zwei-Klassen-Gesellschaft: Nur wenige Reiche werden sich vor Überflutungen, Hitze und Zerstörung schützen können. Der Rest muss untergehen.
Die Urteile sind gesprochen
Ob Pakistan oder Kolumbien, ob Niederlande oder Deutschland: Teilweise schon vor Jahren haben die obersten Gerichtshöfe dieser Länder bestätigt, so Saage-Maaß, „dass Menschen- und Verfassungsrechte grundsätzlich Maßstäbe für staatliches Handeln in der Klimakrise setzen können“.
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat im vergangenen Jahr festgestellt, „dass Staaten eine menschenrechtliche Pflicht haben, die negativen Effekte des Klimawandels abzuwenden bzw. zu minimieren.“ Die Kommentator:innen sind teilweise überzeugt, dass das Urteil erlaubt, die Rechte der Wenigen (und ihre Privilegien) zugunsten der Vielen zu beschränken. Dennoch sei das Gericht zu kurz gesprungen, kritisiert Saage-Maaß. Zwei Fragen seien offen:
- Hat die Bundesregierung die Pflicht, sich um Klimaschäden im Ausland zu kümmern, die aufgrund ihres Anteils am Gesamtaufkommen der Emissionen entstanden sind?
- Wie kann eine gerechte Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft sichergestellt werden, die nicht zu Lasten der Länder und Gruppen geht, welche ohnehin bereits marginalisiert werden?
Klimaschutz kann fatale Folgen haben
Um es in einer Forderung der Klimaliste Deutschland auszudrücken: Die Politik muss handeln und dabei stets die allgemeinen Menschenrechte als Maßstab ansetzen. Sonst drohen Green New Deals, die funktionieren wie im aktuellen Wirtschaftssystem. Saage-Maaß warnt: „... sowohl grüne Energiegewinnung als auch die Einrichtung von Naturschutzgebieten und CO2-Ausgleichsflächen können die ... Menschenrechte indigener und armer ländlicher Bevölkerungen erheblich verletzen.“
In Mexiko werden Windparks auf dem Land indigener Menschen errichtet, ohne dass diese angehört oder an den Erträgen beteiligt werden. Solche Beispiele machen klar, warum unser Ansatz zur Klimarettung auf der Einhaltung der Menschenrechte gründen muss. Dazu gehört, dass die Menschen, die besonders stark von den Folgen der Klimakrise betroffen sind, in die Planung und Umsetzung von Schutzmaßnahmen einbezogen werden.
„Aufs Engste miteinander verwoben“
In letzter Konsequenz, so Saage-Maaß, müsse die Tatsache berücksichtigt werden, dass Mensch und Natur „aufs Engste miteinander verwoben sind“. Der Fakt, dass die Menschenrechte nur eingehalten werden können, wenn die Natur intakt ist, sollte ihrer Ansicht nach juristisch untermauert werden.
In Ländern wie Indien, Neuseeland, Guatemala, Ecuador oder Kolumbien wird bereits anerkannt, dass die Natur eine Rechtspersönlichkeit sein kann. Der UN-Menschenrechtsrat hat zudem im Oktober 2021 eine Resolution verabschiedet, mit der er das Menschenrecht auf eine gesunde Umwelt anerkennt. Auch die deutsche Klimapolitik wird künftig nicht daran vorbeikommen, die Klimakrise global und mit Blick auf die Menschenrechte zu denken. Mit unserer Arbeit wollen wir dazu beitragen, dass sich diese Ansicht so schnell wie möglich durchsetzt.